Sammelkarten von Stollwerck bis Liebig und Panini bis Pokémon

Eine Ausstellung im Feld-Haus, Museum für Populäre Druckgrafik, Neuss

von Andreas Rehnolt/Red.

Stollwerck-Sammelbild, 1905-1906
Ein Bild für alle Fälle
Sammelkarten von Stollwerck bis Liebig 
und Panini bis Pokémon
 
Bis 17. März 2024 im Feld-Haus, Museum für Populäre Druckgrafik
 
Ob Pokémon oder Fußballspieler, Star Wars oder Disneyfilme – in der Popkultur haben Sammelkarten längst Kultstatus erlangt. Für den Erwerb einer seltenen Pokémon-Karte im Wert von 5.275.000 US-Dollar erhielt der YouTuber und Influencer Paul Logan im vergangenen Jahr sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Auch Musikstars wie Snoop Dogg, Drake, Justin Bieber oder Steve Aoki frönen der Sammelleidenschaft.
Neben Pokémon-Karten stehen dabei insbesondere Sportkarten bei Prominenten hoch im Kurs. Und noch bis kommenden Januar zeigt das New Yorker Metropolitan Museum of Art die Ausstellung „Baseball Cards from the Collection of Jefferson R. Burdick“.
 
Die Erfolgsgeschichte des Sammelbilds reicht jedoch bis ins ausgehende 19. Jahrhundert zurück: Firmen setzten schon früh auf die besondere Anziehungskraft der sogenannten „Giveaways“, denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft und binden den Kunden. Die Rechnung ging auf, und in der Folge entbrannte eine geradezu fieberhafte Sammelleidenschaft für die farbigen Reklamebildchen. Bald schon erschienen passende Sammelalben, die man entweder kaufen oder im Tausch gegen Gutscheine erhalten konnte. Das Spektrum der Produkte, die mit Sammelbildern beworben wurden, war enorm und umfaßte eine Vielzahl von Lebens- und Genußmitteln. So erschienen etwa die Sammelkarten der Marke „Liebig’s Fleisch-Extract“ erstmals 1875. Beim Erwerb des Produkts erhielt man diese im Kaufmannsladen kostenfrei als Werbegeschenk dazu.

 


Aus dem japanischem Leben. Die Bootsfahrt, Liebig-Sammelbild, 1904

Die sogenannten „Liebigbilder“ erfreuten sich einer solchen Beliebtheit, daß selbst Fälschungen in Umlauf gebracht wurden. Um das florierende Geschäft mit ihrer Automatenschokolade weiter anzukurbeln, gab die Kölner Firma Stollwerck ab den 1890er-Jahren ebenfalls Sammelbilder heraus. Während die Künstler der Liebigbilder heute weitestgehend unbekannt sind, gehörte es zur Marketingstrategie von Stollwerck, auch namhafte Künstler zu engagieren, darunter etwa Max Liebermann, Otto Modersohn oder Adolph Menzel. Hierzu wurden unter anderem auch gut dotierte Künstler- Wettbewerbe ausgerichtet.
 

Zukunftsvisionen. Drahtloses Privattelefon und Fernseher, Wagner-Sammelbild, um 1930

Die außerordentliche Themenvielfalt der Sammelkarten-Motive ist bemerkenswert. Sie reicht von Kunst und Musik, Technik und Wissenschaft, historischen Ereignissen und Zukunftsvisionen, Märchen und Mode bis hin zur Welt der Theater- und Filmstars. Dank moderner Druckverfahren konnten sie in enormen Stückzahlen produziert werden und fanden insbesondere in der bürgerlichen und städtischen Gesellschaft weite Verbreitung, auch außerhalb Deutschlands. Ihre Bedeutung für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert kann
daher kaum überschätzt werden. So trugen die billigen Bilder nicht zuletzt maßgeblich zur Kanonbildung der europäischen Kunstgeschichte bei. Als Spiegel ihrer jeweiligen Zeit vermitteln sie überdies auch Weltbilder, sodaß die Reklamekärtchen weit mehr als ein harmloses Werbemittel waren und auch als Mittler einer kolonialen Weltanschauung und zu Propagandazwecken von den Nationalsozialisten eingesetzt wurden.


Walt Disneys Schneewittchen und die Sieben Zwerge, Panini-Sammelalbum, um 1980

Eine neue Blüte erlebten die Sammelbildchen mit dem Erscheinen der ersten Fußball-Stickerhefte von Panini in den 1970er-Jahren. Der Verlag erweiterte sein Repertoire erfolgreich in den 80er und 90er Jahren, unter anderem um Sammelhefte zu Comics, Zeichentrickserien und Disneyfilmen. 1999 eroberte schließlich das Pokémon-Phänomen mit Sammelkarten, Animes und Merchandisingprodukten Europa. Gab es ursprünglich 154 verschiedene „Taschen-Monster“ sind es mittlerweile über 1000 Motive auf unzähligen Pokémon-Karten, die aktuell von einer neuen Generation Schulkinder eifrig auf den Schulhöfen getauscht werden. David, der jüngste Leihgeber unserer Ausstellung ist sechs Jahre alt.
 

Ken Sugimori, Pikachu, 1. Edition, 1995–1998

Anhand von über 70 teils selten oder erstmals gezeigten Exponaten aus der eigenen Sammlung sowie aus Privatbesitz gewährt die aktuelle Ausstellung im Feldhaus Besuchern einen ebenso spannenden wie nostalgischen Einblick in das bunte und weite Feld der Sammelkarten. Welche Rolle spielte das Sammelbild in der populären Kultur vor und nach 1900? Und worin gründet noch heute die Faszination der (kindlichen) Sammelleidenschaft?
Das Ausstellungsprojekt wird von einem attraktiven Rahmenprogramm mit Pokémon-Familienführungen, Kuratorenführungen und einem wissenschaftlichen Symposium begleitet. Es ist in Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich 1472 „Transformationen des Populären“ der Universität Siegen entstanden.
 
Kuratoren der Ausstellung: Anita Hachmann M.A., Prof. Dr. Joseph Imorde, Teilprojektleiter, Mirja Beck, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
 
CLEMENS SELS MUSEUM NEUSS
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Sammelkarten von Stollwerck bis Liebig und Panini bis Pokémon
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